Draussenlernen kann helfen, dem Bewegungsdrang von Kindern Raum zu geben. In einer Krise hat die Schule Olsberg diesen Weg für sich entdeckt. Inzwischen ist das Konzept auf allen Stufen etabliert.
Die Kinder der 4. – 6. Klasse versammeln sich vor dem Schulhauseingang um ihre Lehrpersonen. Erstmals nach den Sommerferien steht heute Mathematik auf dem Pausenhof auf dem Programm. Die Viertklässler:innen arbeiten in einem Mathe-Postenlauf zum Millionenraum. Wohl könnten dieselben Aufgaben auch im Klassenzimmer bearbeitet werden – die Kinder geniessen es jedoch, sich von Posten zu Posten zu bewegen und dokumentieren mit dem iPad die Rechnungen, welche sie mit Naturmaterialien gelegt haben. Die älteren Kinder arbeiten an den Dezimalzahlen: Stellentafeln werden direkt mit Kreide auf den Boden gezeichnet und darin gegenseitig Zahlenrätsel mit Nüssen ausgelegt. Eine Linie des Sportplatztes wird in einen Zahlenstrahl verwandelt, den die Kinder messen um dann zu überlegen, wie sie die gegebene Linie unterteilen müssen, um die Zahl 1 in 0,2-er Abschnitten darzustellen.
Die Lehrpersonen erleben das Lernen in Bewegung und die Handlungsorientierung draussen als so erfolgreich, dass es auch ihren Unterricht drinnen verändert hat.
Draussenlernen als Weg aus der Krise
Der erfolgreiche Schulentwicklungsprozess hin zu einer Schule mit regelmässigem Draussenunterricht nahm in Olsberg seinen Anfang mit einer Krise: vor einigen Jahren setzen sich die Klassen in dem kleinen Dorf zu vier Fünfteln aus Jungen zusammen. Der klassische Unterricht wurde dem Bewegungsdrang dieser Gruppe nicht gerecht und es kam regelmässig zu Konflikten. Mit Hilfe der Schulsozialarbeit entwickelte das Team ein Konzept «Gemeinsam sind wir stark» und dachte erstmals über Draussenlernen als eine Lösung für die aktuellen Herausforderungen nach. Gabriela Gehr vom Naturama bildete das Team weiter. Die Lehrpersonen erhielten von der Schulleiterin Florence Herzig das Handbuch «Draussen unterrichten» geschenkt und hospitierten in der Draussenschule in Zeihen. Die Schulleiterin unterstützt ihr Team nach Kräften, fragt regelmässig nach den Erfahrungen draussen und bei Neueinstellungen werden Lehrpersonen berücksichtig, die auch draussen unterrichten wollen.
Die Motivation für diesen intensiven Prozess schöpft Florence Herzig aus den Erfolgserlebnissen. Sie erzählt begeistert von den Erfahrungen mit einem Jungen mit einer hochgradigen Dyskalkulie. Die regulären Mathelektionen sind für diesen Schüler eine Qual. Nach der ersten Mathelektion im Wald, bei der sie Zahlenreihen mit Naturmaterialien gelegt hatten, war der Junge Feuer und Flamme und wünschte sich bald wieder eine solche Mathestunde.
Dieser Artikel erschien zuerst im Schulblatt Aargau / Solothurn Nr. 16 / 2023.
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