Im Kurs Naturbezogene Umweltbildung im urbanen Raum 2021 des CAS Naturbezogene Umweltbildung sind verschiedene Blogbeiträge zu Umsetzungen des Themas «Lernen in der Stadtnatur» entstanden. Sie werden hier in diesem Format veröffentlicht.
Danke allen Autor*innen und Beteiligten.
«Doch es sind gerade diese Qualitäten, zum Beispiel die identitätsstiftende Wirkung der Bäume; ihre Lebendigkeit und ihre tägliche und jahreszeitliche Transformation sowie ihre Form und Farbe, die Kontraste zur gebauten Architektur schaffen und das Rascheln ihrer Blätter im Wind, die Menschen dazu bewegen, sich mit ihnen verbunden zu fühlen und sich deshalb immer wieder für ihren Schutz und Erhalt einzusetzen.»(Sonja Dümpelmann)
Stadtbäume und ihre Geschichten
Baumportraits im NUB urbaner Raum
Der Kurs Naturbezogene Umweltbildung im urbanen Raum hat mein Interesse für Bäume in der Stadt geweckt. Vor diesem Kurs dachte ich über Bäume meist im Kontext eines Waldes nach. Im Kurs erhielten alle Teilnehmenden einen Steckbrief zu einer Art und durften eine Geschichte zu diesem Baum erzählen. Durch diese Aktivität erhielt jeder Baum einen Platz und einen Wert. Insbesondere fand ich die Diversität an Bäumen und dass auch nicht einheimische Bäume im Ökosystem Stadt eine wichtige Rolle spielen interessant. Während meiner Recherche für diesen Kompetenznachweis hat mich sehr bald das Alter von Stadtbäumen fasziniert. Die Vorstellung, dass ein Baum schon seit über 100 Jahren an einer Stelle steht und so einiges an Geschichte «mitbekommen» hat, fasziniert mich. So werde ich, nachdem ich etwas Allgemeines über Stadtbäume gesagt habe, in die Geschichte von Stadtbäumen eintauchen, insbesondere in die Geschichte von Zürcher Stadtbäumen.
Was unterscheidet einen Stadtbaum von einem Waldbaum?
In der Stadt sind Bäume ihrer «natürlichen» Umgebung entzogen. Sie erfahren von verschiedenen Seiten Druck. Der Wurzelraum ist knapp, die Bodenverdichtung beeinträchtigt die Atmung der Wurzeln und die Wasserspeicherung des Bodens. Schädlinge und Krankheiten treten häufiger auf und auch Streusalz kann für die Bäume ein Problem darstellen. Auch das Klima ist in der Stadt anders als im Wald. Deshalb werden in der Stadt meist etwas wärme- und trockenresistentere Bäume gepflanzt.
Auch in Bezug auf das Alter unterscheiden sich Stadtbäume von Waldbäumen. Die ältesten Bäume finden wir meist nicht im Wald, sondern an Strassenrändern und in Parks. Denn der Wald wird für die Holznutzung bewirtschaftet, was heisst, dass Bäume gefällt werden, wenn sie ihren maximalen wirtschaftlichen Wert erreicht haben. Dies ist etwa im Alter von 100 Jahren. Der biologische Zyklus eines Baumes dauert jedoch viel länger. Vom Jungbaum, über das Wachstum und die Vergreisung bis zum Zerfall vergehen 300 bis 600 Jahre. Dabei entsteht für die Biodiversität wertvolles Totholz.
Bäume und ihre Bedeutung für die Stadt
In Zürich stehen insgesamt etwa 124’000 Bäume. Etwa 22‘000 davon sind Strassenbäume, rund 40‘000 stehen in öffentlichen Grünanlagen, und ungefähr 62‘000 auf privatem Boden. Sie bieten den Menschen in der Stadt Lebensqualität, indem sie Schatten spenden, kühlend wirken und die Luft reinigen. Sie bieten auch Lebensraum für Tiere und haben einen positiven Einfluss auf die Biodiversität. Bäume prägen aber auch das Stadtbild und sind oft Namensgebend für eine Strasse oder einen Platz, so zum Beispiel für den Lindenhof in Zürich. Bäume sind auch Kulturgut und Zeitzeugen.
Ein Sprung zurück in der Geschichte
Bäume am Strassenrand und in Parks prägen heute das Stadtbild. Doch war schon immer so? Um herauszufinden, seit wann es eigentlich Bäume in der Stadt gibt, reiste ich etwas zurück in der Geschichte und landete bei der Stadt Zürich um 1800. Zu dieser Zeit waren in Zürich etwa 10‘000 Personen wohnhaft und die Stadt befand sich noch innerhalb der mittelalterlichen Stadtmauern. Die Stadt bestand also aus dem heutigen Niederdorf und der Altstadt. Der Stadelhofen, der damals tatsächlich noch ein Hof war, befand sich ausserhalb der Stadtmauern.
In der zweiten Hälfte des 19. Jahrhunderts erlebte Zürich einen Wachstumsschub. 1888 lebten schon 103‘000 Menschen in Zürich. Die Bevölkerung nahm vor allem in den umliegenden Dörfern zu. Da die Gemeinden nicht für ein solches Wachstum vorbereitet waren, liessen sie sich in die Stadt Zürich eingemeinden. Durch die wachsende Bevölkerung in Zürich wurde viel Fläche bebaut, die Stadt wuchs.
Die Verdichtung und Vergrösserung des städtischen Gebiets in der zweiten Hälfte des 19. Jahrhunderts hatte eine systemische Bepflanzung von Strassenrändern zur Folge. Schon damals waren das Wohlbefinden der Bevölkerung und der wärmeregulatorische Effekt der Bäume als Argumente vorhanden. In Berlin und New York wurden für die Bepflanzung der Strassen sogar Vereine gegründet. Doch waren einige auch skeptisch gegenüber den Baumpflanzungen. Der Landschaftsgärtner G. A. Schulze schrieb in einem Aufsatz 1881: «Waldcharakter und städtischer Trubel mit seinem Schmutz, heilige Erhabenheit und Ruhe und profaner Lärm sind wohl zwei feindliche Dinge». Er ging in seinem Aufsatz der Frage nach, welches der Zweck von Strassenbäumen in der Grossstadt ist und ob sie diesen erfüllen. Auch viele Parkanlagen, die neben den Bäumen auch als «Naturorte» in der Stadt gelten, entstanden als Reaktion auf die Verdichtung und Vergrösserung des städtischen Gebiets. Landgüter von früheren Herrschaften, so zum Beispiel der Beckenhof oder der Patumbah Park wurden für die Öffentlichkeit zugänglich.
Netzwerkliste
Ausstellung Bäume in der Stadt in Zürich
In der Ausstellung von Grün Stadt Zürich werden neben den Herausforderungen und Vorteilen von Stadtbäumen zehn typische Stadtbäume vorgestellt. Ich war bisher leider noch nicht in der Ausstellung, aber sie soll sehr gut sein.
Baumkataster
Auf einer interaktiven Karte sind 74‘325 Bäume in der Stadt Zürich eingezeichnet. Hier kann man das Pflanzjahr fast aller Bäume herausfinden. Eine sehr empfehlenswerte Seite!
https://www.maps.stadt-zuerich.ch/
Infos über Stadtbäume in Zürich
Die Stadt hat einige spannende Infos über Stadtbäume, zum Beispiel zur Häufigkeit verschiedener Baumarten. Die fünf häufigsten Arten der Stadt Zürich sind: Spitzahorn, Platane, Rosskastanie, Robinie und Holländische Linde
https://www.stadt-zuerich.ch/ted/de/index/gsz/natur-erleben/stadtbaeume.html
Historische Bilder der Stadt Zürich
Allen, die in Zürich wohnen (und auch allen anderen) empfehle ich mithilfe dieser Bilder etwas in die Vergangenheit zu reisen!
1) Hier können Bilder nach Quartier oder Strassennamen gesucht werden ->
2) Auf dieser interaktiven Karte ist an verschiedenen Punkten in der Stadt ein Bild zu sehen -> https://www.maps.stadt-zuerich.ch/
Zürichs Geschichte
Hier kannst du einiges über Zürichs Geschichte erfahren.
https://hls-dhs-dss.ch/de/articles/000171/2015-01-25/
Monumentale Bäume
Auf dieser Webseite werden von Privatpersonen die ältesten, dicksten oder höchsten Bäume in der Schweiz und in Zürich eingetragen.
https://www.monumentaltrees.com/de/alterrekorde/che/zurich/
Bücher
Im Rahmen dieser Recherche bin ich zwei Büchern begegnet, die interessant sein könnten. Im ersten geht es spezifisch um Bäume in der Stadt Zürich. Auf das zweite Buch bin ich über einen Artikel gestossen. Es geht um die Geschichte der Stadtbäume in New York und Berlin.
- Von Baum zu Baum; Ein Führer zu besonderen Bäumen Zürichs; Walburga Liebst; 2009; Haupt Verlag
- Seeing Trees: A History of Street Trees in New York City and Berlin; Sonja Dümpelmann; 2019; Yale University Press
-> Hier noch zwei Artikel zum Buch Seeing Trees:
https://www.garten-landschaft.de/strassenbaeume-und-weltgeschichte/
https://probaum.online/artikel/die-kultur-der-strassenbaeume-000360
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